KEP-Markt – wie mit der Krise umgehen?
Nach dem Hype die Ernüchterung: Die Sendungsmengen gehen zurück – daran wird sich so schnell nichts ändern. Hatten zuvor E-Commerce und Lockdowns in Pandemiezeiten für einen extremen Boom gesorgt, ist jetzt Kaufzurückhaltung angesagt. Wie aber die Krise handhaben? „Die KEP-Branche bleibt auf lange Sicht ein Wachstumsmarkt“, sagt Rico Back, Managing Partner der SKR und Kenner der Branche. „Dennoch muss jedes Unternehmen darum kämpfen, betriebswirtschaftlich tragbare, resiliente und nachhaltige Strukturen zu schaffen, um mit krisenhaften Situationen auch künftig fertigzuwerden zu können.“
Die Bilanzen vieler KEP-Unternehmen sind belastet: Inflation und Teuerung führen zu Konsumverzicht und sinkenden Sendungsmengen. Hohe Lohn-, Energie- und Transportkosten sorgen dafür, dass der operative Gewinn schwindet. „Gleichzeitig müssen die Unternehmen investieren, zum Beispiel in Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Automatisierung oder weiteres Wachstum“, sagt Rico Back. „Wenn das Geschäftsmodell bereits an vorübergehenden Sendungsrückgängen scheitert, rettet es auch nicht die Aussicht auf künftiges Wachstum.“
Tragbare Geschäftsmodelle
So geschehen bei vielen neu entstandenen Online-Bestell- und Lieferdiensten. Gerade während der Pandemie sind im Bereich der Quick Economy Start-ups aus dem Boden geschossen, die Essen und Lebensmittel innerhalb von 15 bis 30 Minuten ausliefern.
Kaum hatte sich das Leben wieder normalisiert, steckten viele Lieferdienste in der Krise. Der harte Wettbewerb führte zu einem ruinösen Kampf um Marktanteile, oftmals konnte nicht kostendeckend gearbeitet werden. Es folgten Entlassungen, Betriebsschließungen, Insolvenzen, bestenfalls Zusammenschlüsse.
„Online-Bestell- und Lieferdienste haben ihre Berechtigung“, sagt Rico Back. „Aber am Ende ist entscheidend, ob dem Unternehmen ein betriebswirtschaftlich tragbares Geschäftsmodell zugrunde liegt.“
Von Menschen und Maschinen
Weltweit werden pro Jahr 159 Milliarden Sendungen auf den Weg gebracht. Die Margen in dem Massenmarkt sind nicht üppig. Vollautomatische Förder- und Sortieranlagen, gebündelte Transporte, Sendungsverfolgung, Tourenoptimierung sowie emissionsarme Zustellkonzepte vor allem in Innenstädten und flexible Zustelloptionen machen die Paketlogistik nicht nur effizient, sondern auch sicherer, flexibler und nachhaltiger.
Doch nicht jeder Bereich und jedes Unternehmen schreibt mit einem Plus an Digitalisierung und Automatisierung auch automatisch schwarze Zahlen. Beispiel Paketautomat, der die Abholung und Zustellung von Sendungen erleichtern soll. Einige Marktplayer machen es vor und stellen flächendeckend vollautomatisierte Paketstationen auf.
Ob sich das allerdings betriebswirtschaftlich wirklich rechnet, bleibt abzuwarten. Denn Anschaffungs-, Reparatur- und Wartungskosten könnten den erwünschten Effekt – nämlich die Kosten pro Zustellstopp zu minimieren – schnell zunichtemachen. Ähnlich ist der Einsatz von Drohnen und Paketzustellrobotern zu beurteilen. Für Nischen mögen diese Lösungen interessant sein, als generelle Lösung taugen sie – zumindest im Moment – noch nicht.
„Paketlogistik kann sich überall dort der Lebensrealität der Menschen anpassen, wo sich Kosten und Nutzen der Investition am Ende des Tages rechnen“, sagt Rico Back. „Wie die Zustelllösungen letztlich aussehen, muss deshalb für jedes einzelne Unternehmen und für jeden einzelnen Standort entschieden werden.“
KEP – sicherster Wachstumsmarkt, den es gibt
Nichtsdestotrotz wird die daten- und KI-gestützte Steuerung der Prozesse weiter zunehmen, für zusätzliche sinnvolle Optimierungen sorgen und Mitarbeitende in den Lägern und Depots entlasten. Angesichts des Personal- und Fachkräftemangels sind das positive Aussichten.
Überflüssig werden Mitarbeitende in der Logistik damit aber noch lange nicht: Der KEP-Markt bleibt ein People-Business, ohne Menschen geht es nicht. Ob Zustellerinnen und Zusteller, Mitarbeitende in Depots und Verteilzentren oder IT-Fachkräfte – an vielen Stellen der Logistik werden Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen gebraucht und händeringend gesucht.
Die Kurier-, Express- und Paketunternehmen sorgen weltweit für Jobs, Einkommen und Wohlstand. Faire und transparente Arbeitsbedingungen sowie das Einhalten von Rechtsnormen sollten dabei selbstverständlich sein. Das anhaltende Wachstum dürfte auch in den kommenden Jahren für neue Jobs und einen hohen Bedarf an Arbeitskräften sorgen. Denn trotz der jetzigen Krise bleibt der KEP-Markt ein boomendes Geschäft.
Weltweit wurde er im Jahr 2022 auf ein Volumen von ca. 450,6 Milliarden US-Dollar geschätzt – bis 2030 sollen Kurier-, Express- und Paketdienste eine Marktgröße von 722,6 Milliarden US-Dollar erreichen. Das verspricht einen Zuwachs von über 60 Prozent in acht Jahren! Wichtige geografische Märkte sind dabei China, die USA, Kanada, Europa und Japan. Treiber werden der weltweit wachsende Online-Handel sein, die zunehmende Nachfrage nach Gütern aus anderen Ländern sowie die Nachfrage nach internationaler Haustürzustellung.
„Nachhaltige Lieferoptionen und resiliente Lieferketten sind dabei wichtiger denn je“, sagt Rico Back. „In Logistik und ihre Zukunftsfelder zu investieren lohnt sich – der genaue Blick auf die Tragfähigkeit des jeweiligen Geschäftsmodells allerdings auch.“
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