Im Wettbewerb um den Kunden: Wie Plattformen und Händler die Paketlogistik herausfordern

Digitale Plattformen, neue Player auf der letzten Meile und immer mehr Händler mit eigener Zustelllogistik – geraten klassische Paketdienste zunehmend ins Abseits? Während E-Commerce-Mengen weiter steigen, schrumpfen Margen, Kundenzugang und strategischer Handlungsspielraum. Wer als Paketdienst überleben will, braucht mehr als Menge. Gefragt sind Fokus, Effizienz und eine klare strategische Positionierung.

Neue Player, neue Regeln

Digitale Plattformen wie sennder (USA) bündeln Sendungsvolumen und positionieren sich als neue Schnittstelle zwischen Händler und Paketdienst. Große Onlinehändler und Marktplätze wie Amazon bauen seit Jahren eigene Zustellnetze auf. Gleichzeitig beliefern Plattformen wie Temu und Shein den europäischen Markt – mit kleinen, leichten Paketen und unter Umgehung traditioneller Logistikketten.

Hinzu kommen neue Anbieter im Quick Commerce. Getrieben vom Boom im Lebensmittel- und Einzelhandel setzen auch sie – wie die gesamte KEP-Branche – auf urbane Mikro-Hubs, E-Bikes und App-basierte Steuerung. Was heute noch Pizza oder Drogerieartikel ist, kann morgen schon Mode oder Unterhaltungselektronik sein. Die letzte Meile wird kleinteiliger, schneller, komplexer – und zunehmend vom Handel selbst organisiert. Unternehmen wie Rewe, IKEA, MediaMarkt oder Decathlon investieren in eigene Strukturen oder regionale Partnernetzwerke.

In den USA wird der letzte Teil der Lieferkette – die sogenannte „Final-Mile-Delivery“ – oft aus dem klassischen Logistikprozess herausgelöst, um Kosten zu sparen. Das bedeutet: Der Versender liefert nicht über die klassischen Logistiksysteme, sondern bringt das Paket direkt zu einem lokalen Verteilungspunkt. Von dort übernehmen Subunternehmer oder lokale Zustelldienste die Auslieferung an den Endkunden. In Deutschland und Europa wird dieses Modell bisher kaum eingesetzt, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Sobald die Kosten für die klassischen Logistiknetzwerke über die Produktpreise nicht mehr gerechtfertigt werden können, wird diese Art von Final-Mile-Delivery mit Sicherheit in den Fokus von großen Versendern geraten. Das wird eine Herausforderung für die klassischen Paketlogistiknetzwerke.

Paketdienste definieren ihre Marge über die Logistikkosten – Onlinehändler über die Produktkosten. In vielen Segmenten verlieren klassische Paketdienste den direkten Zugang zum Endkunden. Sie geraten unter wachsenden Preisdruck, die Qualität und Flexibilität der Zustellung wird zunehmend vom Kunden bestimmt. Auf diese strukturelle Verschiebung müssen klassische Paketdienste eine zukunftsorientierte strategische Antwort finden. 

Masse statt Marge? Keine Lösung.

Der Paketmarkt ist längst kein einheitlicher Wachstumsmarkt mehr. Nicht jede Sendungsmenge ist für den klassischen Paketdienst die richtige. Der E-Commerce produziert zwar Paketmengen, aber oft zu Preisen oder Anforderungen an die Logistik, die für klassische Anbieter nicht auskömmlich sind. Die Masse allein heilt nicht, entscheidend sind Fokus auf Systemkonformität, Effizienz und Qualität.

Profitables Geschäft liegt heute nach wie vor im B2B-Segment und im Premium-B2C-Segment – hier lässt sich auch von den E-Commerce-Mengen profitieren.

Im E-Commerce-Fulfillment sehen viele Paketdienste eine Chance, tiefer in die Wertschöpfungskette einzusteigen – mit Lägern, Automatisierung und fokussierter Zustellung aus einer Hand. Das bietet eine Alternative zu großen Online-Marktplätzen vor allem für kleine und mittlere Onlinehändler. Doch der Fulfillment-Markt ist investitionsintensiv und margenschwach. Lagerverträge im Neubau laufen oft 15 bis 20 Jahre, Kunden binden sich aber in der Regel nur fünf Jahre oder noch kürzer.

Ein klassischer Paketdienst verfügt nicht über das notwendige Know-how und das auf Fulfillment spezialisierte Management, um Kontraktlogistik profitabel zu bedienen. Erfolgreiche Modelle setzen auf den Zukauf spezialisierter Unternehmen mit eigenem Management, eigener Struktur und langfristiger Strategie. Fulfillment sollte daher als eigenständige Einheit betrachtet werden – mit einer klaren Trennung zum klassischen Paketgeschäft.

Fokussieren statt diversifizieren

Statt um Mengenkampf und Diversifikation geht es um strategische Klarheit. Das bedeutet in der Paketlogistik: Konzentration auf das Kerngeschäft. Profitabilität entsteht bei auskömmlichen Preisen nur durch effiziente Zustellnetze, in denen die Sortierung automatisiert läuft, die Routen optimiert sind und die letzte Meile gut ausgelastet ist.

Paketstationen oder Paketkästen ermöglichen gebündelte Zustellungen, reduzieren Kosten und verbessern die Effizienz, sofern die Auslastung hoch genug ist. Interessante B2B-Versandlösungen und Zusatzservices wie Express können sinnvoll sein, um Geschäftskunden mit höherem Umsatzpotenzial zu gewinnen. Besondere Kundenbedürfnisse zu bedienen bedingt jedoch Servicezuschläge, denn sie passen in der Regel nicht in die ausgefeilten Netze der klassischen Paketdienste.

Die Einbettung eines Paketdienstes in einen größeren Logistikkonzern kann Chancen bieten. Wirtschaftliche Eigenständigkeit und strategische Klarheit müssen aber gegeben sein. Denn fehlende Fokussierung kann zu Fehlsteuerungen führen. Interne Verrechnungsmodelle erschweren dabei häufig die objektive Bewertung von Profitabilität. Realistische Zielsetzungen und die Fähigkeit zur operativen Trennung einzelner Geschäftsfelder ist zwingend erforderlich, um klare Beurteilungen zu ermöglichen.

Das neue Spielfeld meistern

Angesichts des veränderten logistischen Spielfeldes, auf dem sich zunehmend neue wie alte Anbieter aus dem Digital Commerce positionieren, müssen die klassischen Paketdienste das tun, was sie am besten können: zuverlässig zustellen, ihre Netze effizient steuern, digitale Services und Lösungen mit echtem Mehrwert anbieten. So ist den Kunden am besten gedient. Zusatzleistungen sollten nur dann erbracht werden, wenn sie betriebswirtschaftlich und operativ tragfähig sind und zur Kernkompetenz passen.

Wachstumspotenzial liegt im Paketmarkt selbst. Der Wandel vom stationären Handel hin zum E-Commerce sorgt für stabile Zuwächse von fünf bis sieben Prozent jährlich. Zudem wandern kleinere Sendungen zunehmend vom Stückgut ins Paketsegment.

Die Herausforderungen für die Paketdienste sind groß – die Chancen aber ebenso.

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