Klimaschutz versus Energiekrise? Jetzt neu denken!

Der Klimaschutz bleibt wichtig, keine Frage. Allerdings haben sich mit Russlands Ukraine-Krieg die Rahmenbedingungen massiv verändert – sie stellen die Wirtschaft in ganz Europa vor enorme Herausforderungen.

Statt Erholung nach Corona bahnt sich eine tiefe Rezession an und angesichts der hohen Energiepreise kämpfen viele Unternehmen ums Überleben. Deshalb sollten wir bereit sein, uns auf unserem Weg zu mehr Klimaschutz an neue und schwierige Herausforderungen anzupassen, um das Gesamtwohl Europas und der Bevölkerung nicht zu gefährden.

Denn Europa ist in hohem Maße abhängig von russischem Öl und Gas – wie sehr, ist in den einzelnen EU-Länder unterschiedlich ausgeprägt: Deutschland und Italien kämpfen mit gravierenden Versorgungsengpässen; Frankreich ist etwas weniger betroffen, weil das Land auf Atomkraft setzt; Dänemark hat bereits jetzt 40 Prozent erneuerbarer Energie im Energie-Mix und kann russisches Gas kompensieren – glücklicherweise, denn mittlerweile hat Gazprom die Lieferungen eingestellt.

Preislimits für Gas und Strom

Mit dem hohen Gaspreis hängen die explodierenden Strompreise zusammen. In ganz Europa sind die Energiekosten Treiber der Inflation. Unsicherheiten im Markt, die steigende Nachfrage nach Gas und Öl lassen die Preise weiter steigen.

Die Energieminister der 27 Mitgliedstaaten der EU haben sich bei einer Sondersitzung in Brüssel auf Notfallmaßnahmen gegen die galoppierenden Gas- und Strompreise geeinigt: Energiesparen, Abgaben für Energieunternehmen und Mineralölkonzerne, nationale Preisbremsen beim Erdgas sowie Unterstützung von klammen Haushalten und Unternehmen. Einen pauschalen Gaspreisdeckel lehnt die EU-Kommission (noch) ab, da Länder wie Norwegen oder Katar ihr Gas dann zu höheren Preisen außerhalb der EU verkaufen könnten, der innereuropäische Gashandel zum Erliegen käme und auch ein wesentlicher Anreiz zum Einsparen von Gas wegfiele.

Wie aber finanzieren die EU-Länder die gedeckelten Gaspreise? Das vergleichsweise wirtschaftlich gut aufgestellt Deutschland wendet 200 Mrd. Euro auf – Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von einem „Doppel-Wumms“.

Italien, Griechenland oder Portugal können sich das nicht leisten, weil ihre Haushalte bereits hoch verschuldet sind. Entsprechend scharf ist die Kritik am deutschen Alleingang.

Für den Umgang mit der Krise gibt es keine Blaupause. Mit der jetzt eingeschlagenen Strategie kann die EU bestenfalls auf Zeit spielen. Wieder werden milliardenschwere Kredite notwendig, damit die Länder der Eurozone diese Krise überstehen – ein schweres Erbe für nachfolgende Generationen.

Kohle- und Atomstrom nicht verteufeln

Fest steht: Auf Dauer muss die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl sowie der verschwenderische Verbrauch von fossilen Energien drastisch reduziert werden. Deshalb müssen regenerative Energien jetzt möglichst rasch weiter auf- und die bürokratischen Hürden abgebaut werden: Doch neben den regenerativen Energien werden wir in Europa für die nächsten Jahre nicht um Kohle- und Atomstrom herumkommen. Deutschland tut gut daran, die Laufzeiten für Reservekohle- und Atomkraftwerke zu verlängern. Das erhöht kurzfristig das Energieangebot.

Das mag unpopulär sein; für Aktivisten von Fridays for Future sind solche Entscheidungen vielleicht auch ein Grund für Enttäuschung. Durch die Medien gehen Bilder, wie sich Aktivisten an Straßen festkleben und zu zivilem Ungehorsam aufrufen. Fakt ist: Die Bewegung hat sich radikalisiert, zum Teil aus Enttäuschung, zum Teil weil sie inzwischen als Plattform von Aktivisten genutzt wird, die antikapitalistische Thesen vorantreiben und sich einen Umsturz der Gesellschaft wünschen. Zur Problemlösung trägt das alles nicht bei, eher zur Spaltung der Gesellschaft – und zur Destabilisierung unserer Demokratie.

Aufgrund der Energiekrise werden möglicherweise kurzfristig Abstriche beim Klimaschutz nötig. Denn die aktuelle Energiekrise stellt die Unternehmen in Europa vor existenzielle Herausforderungen. Bedroht sind ganze Industriezweige und Wertschöpfungsketten – Blackouts und Versorgungsengpässe sind plötzlich eine reale Gefahr. Betriebsschließungen und die Abwanderung von Unternehmen würden Europas starke Position in der Weltwirtschaft schwächen, den Wohlstand in den EU-Mitgliedsstaaten mindern.

Klimaschutz und Krise meistern

Dennoch bleibt Klimaschutz wichtig. Mit dem Green Deal ist Europas Wirtschaft bereits auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Der Weg ist richtig, viele Unternehmen haben bereits massiv in die klimaneutrale Transformation investiert. Die Industrie steht weiterhin zu den Klimazielen für 2030 und 2045, das macht auch der BDI deutlich.

Nur wenn unsere Industrie intakt durch die Krise kommt, kann Europa weiter treibende Kraft, Innovator und Investor beim Klimaschutz sein. Es muss daher um beides gehen: um die Bewältigung der Energiekrise, ohne Schaden für die Industrie zu nehmen, und gleichermaßen um das Ziel der Klimaneutralität als gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe.

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