Die Marktwirtschaft braucht neue Spielregeln

Digitale Souveränität – damit will die EU ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft bewahren. Denn zunehmend konzentrieren sich technologisches Know-how und wirtschaftliche Macht bei wenigen, großen Online-Giganten aus Asien und den USA, die den Markt als Gatekeeper beherrschen (können).

Ob Alphabet, Amazon und Facebook oder Alibaba, Tencent und Samsung: Die Unwucht der weltweiten Plattform-Ökonomie ist offensichtlich und nimmt stetig zu, was nicht nur Verschiebungen des Wohlstands nach sich ziehen wird. Am Ende geht es auch um die Wahrung demokratischer Werte und um unsere Sicherheit.

Daten sind Kern der Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft und zugleich strategischer Produktions- und Wettbewerbsfaktor. Durch die sinnvolle Nutzung von Daten können viele Wirtschaftszweige effizienter, nachhaltiger und flexibler werden. Außerdem entstehen neue, zum Teil disruptive Geschäftsmodelle und Serviceangebote regelmäßig auf der Grundlage von Daten.

Die Herausforderung, insbesondere für die EU: Viele große Technologieunternehmen halten sich beim Sammeln und Analysieren von Daten nicht immer an die europäischen Regeln und Grundwerte. Aber auch wenn es um Hass und Hetze in den sozialen Medien geht, wird deutlich: Die Nutzung von Daten zugunsten des Wohlergehens der Gesellschaft ist ein heikler Balanceakt.

Digitale Souveränität der EU

Mit der digitalen Souveränität möchte die EU nicht nur im globalen Wettrennen um die technologische Führerschaft aufholen, sondern auch für einen zeitgemäßen Verbraucherschutz sorgen. Hier einige wichtige Projekte im Überblick, die sowohl Infrastruktur-, Daten- als auch Entscheidungssouveränität berühren:

  • Gaia-X: Im Moment stellen große amerikanische Techfirmen die IT-Infrastruktur vieler europäischer Unternehmen. Damit lagern deren Daten in der Cloud und somit auf Servern, die sie nicht kontrollieren. Im digitalen Zeitalter wird dieser Mangel an Datensouveränität zunehmend zu einer strategischen Frage. Die europäische Antwort heißt Gaia-X: Mit dem Projekt soll eine leistungs- und wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa aufgebaut werden.

 

  • Mit dem Digital Markets Act (DMA) hat das Europäische Parlament Ende 2021 seine Position zur Eindämmung der Marktmacht von Onlineriesen wie Google und Amazon festgelegt. Für die größten Digitalkonzerne würden mit diesem Gesetz strengere Auflagen gelten, um einen Missbrauch ihrer Marktmacht zu verhindern. Wie die neuen Regeln jedoch durchzusetzen sind, wird sich zeigen müssen, denn dafür braucht es gerichtsfeste Belege. Dennoch ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

 

  • Parallel dazu hat die EU den Digital Services Act (DSA) auf den Weg gebracht. Er soll digitale Unternehmen zu mehr Verbraucherschutz und Transparenz verpflichten. Dieses zielt auf den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz ab, macht einheitliche Vorgaben für die Moderation von Inhalten und schafft eine neue Aufsichtsstruktur, die vor allem großen Diensten auf die Finger schauen soll. Ob Digital Markets Act oder Digital Services Act – die EU hofft auf ein Inkrafttreten der beiden Gesetzespakete im Jahr 2023.

Protektionismus vermeiden

Die EU ist auf dem Weg, die digitale Souveränität des europäischen Wirtschaftsstandortes zu stärken. Damit erhält die Marktwirtschaft neue Spielregeln, die um die Dimension des digitalen Raums erweitert werden. Die öffentliche Diskussion ist entfacht – die Interessenlagen dabei naturgemäß sehr unterschiedlich.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. sieht in dem Zielkonzept der digitalen Souveränität Chancen und Risiken zugleich: „Chance, da mit ihr das Potenzial verbunden ist, die eigene Gesellschaft, Wirtschaft und Politik resilienter aufzustellen. Risiko, da sie auch zu Protektionismus, Fehlallokationen und Autarkie führen kann.“ Digitale Souveränität dürfe nicht verstanden werden als ein Abschied von globalisierten Produktions-, Innovations- und Wertschöpfungsprozessen.

Die Wettbewerbsbehörden sehen neue Aufgaben auf sich zukommen: Künftig müssen sie in der Lage sein, auch das technische Entwicklungspotenzial bei Unternehmensübernahmen abschätzen zu können. Denn in der Digitalwirtschaft kann schon der Kauf eines kleinen Start-ups die langfristige Festigung einer marktbeherrschenden Stellung bedeuten.

Doch trotz aller Herausforderungen: Richtig ist, dass sich die EU das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen darf. Denn schließlich geht es um unsere Sicherheit, die Wahrung unserer Werte im Verbraucherschutz und die Kontrolle von Infrastrukturen und Marktregeln, die nach unserem demokratischen Verständnis aufgebaut sind.

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